Vortrag Januar 2013: Die politische Ordnung der Zukunft

Petra Schaper-Rinkel 2013, „Die politische Ordnung der Zukunft. Zum Wandel der gesellschaftlichen Konstruktion von politischem Zukunftswissen“, Vortrag auf der Tagung „Zukunftsexpertise. Zur Generierung, Legitimierung, Verwendung und Anerkennung von Zukunftswissen“ des ZiF der Universität Bielefeld. Bielefeld, 23.-25.01.2013

Abstract
Strategisches Handeln in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ist mit der Antizipation von Zukunft und damit mit der der Konstruktion hypothetischer Zukünfte verbunden. Dem politischen Handeln und politischen Theorien liegen Annahmen über die Zukunft zugrunde, die kaum expliziert werden, obwohl Zukunft durch Prognosen, Simulationen, Modelle, Delphi-Befragungen und Szenarien politikrelevant konstruiert und antizipiert wird. Der Klimawandel der Zukunft wird modelliert, der zukünftige Energiebedarf simuliert, die Arbeitswelt der Zukunft in Szenarien umgesetzt und die Welt der Zukunft bis in das Jahr 2050 in einer Weise angeordnet, die auf jeweils spezifischen politischen Handlungsbedarf verweist. In dem theoretisch-konzeptionellem Beitrag wird dargestellt, wie die Methoden, die Zukunft zu antizipieren, Politik (mit)bestimmen und welche Wandlungsprozesse sich in der gesellschaftlichen Konstruktion von politischem Zukunftswissen feststellen lassen. Seit der Frühen Neuzeit basieren die Methoden und Theorien, mit denen Zukunft konstruiert und antizipiert wird, zunehmend auf wissenschaftlichem Wissen. Im politischen Raum wird Zukunftswissen vielfach zu umfassenden Darstellungen verdichtet (z.B. Szenarien des Lebens in einer Gegenwart der Zukunft) oder es werden erwartete Entwicklungen in einer zugespitzten Ikonografie dargestellt/rezipiert, die einen hohen politischen Handlungsbedarf nahelegen (z.B. Kurven zur demographischen Entwicklung, oder die ‚Hockeyschläger-Kurve‘ der Darstellung einer starken globalen Erwärmung). Insbesondere Szenarien wirken als transdisziplinäre Medien, die wissenschaftliches Wissen unterschiedlicher Felder und Disziplinen verbinden und mit den Wissensbeständen von politischen Entscheidungsträgern (insbesondere aus der Administration) verbinden. Bezogen auf die Leitfrage der Tagung ließe sich sagen, Zukunftswissen wird zu Zukunftsexpertise, wenn es politisch wirksam wird. Eine zentrale Voraussetzung für diese Wirksamkeit ist die Einordnung spezifischer Zukunftskonstruktionen in die jeweilige politische Ordnung der Zukunft mit ihren Meta-Narrativen (historisch z.B.: Fortschritt, aktuell z.B.: Nachhaltigkeit). Im politischen Kontext hat Zukunftswissen eine performative Komponente, so dass die Beschreibung einer spezifischen Zukunft zugleich eine Zuschreibung ist. Damit rückt die performative Rationalität von Aussagen über Zukunft in den Fokus (Antizipation von Zukunft durch Darstellung positiver Zukünfte, die erreicht werden sollen und durch Schreckensszenarien, die vermieden werden sollen). Die Generierung von Zukunftswissen ist Teil der Arbeit an der politischen Ordnung der Zukunft, die im Spannungsverhältnis von einem Lernen aus der Vergangenheit (historia magistra vitae) und dem (neuen) Lernen aus der hypothetisch generierten Zukunft steht.