Vortrag auf der TA19: Missionsorientierte Innovationspolitik – Neues Paradigma oder: Alles beim Alten

Petra Schaper-Rinkel & Dana Wasserbacher, „Missionsorientierte Innovationspolitik – Neues Paradigma oder: Alles beim Alten“ Vortrag auf der Konferenz TA19: Mission Control? Missionsorientierte Innovation als Herausforderung für die TA, 27. Mai 2019, Wien, Österreichischen Akademie der Wissenschaften

Abstract: Zukunftstechnologien sollen dazu dienen, gesellschaftliche Probleme zu lösen. Die öffentliche Forschungsförderung im nächsten EU-Forschungsrahmenprogramm wird daher auch auf konkrete Ziele – Missionen – ausgerichtet. Mit dem hohen Anspruch an eine missions-orientierte Innovationspolitik werden Fragen nach der Definition von Missionen und der Einbindung von Akteuren aufgeworfen, die auf der Mikro-Ebene einer „konstruktiven Technikfolgenabschätzung“ (CTA) bereits seit langem bearbeitet werden.

Vor mehr als zwanzig Jahren formulierten Ari Rip und Johan Schot ein Dilemma in Bezug auf die Zukunft des Constructive Technology Assessment (CTA): Es gäbe auf der einen Seite die Vorstellung von einer gemeinsamen Verantwortung für Zukunftstechnologien in der Gesellschaft, nach der sich die unterschiedlichen Akteure an den CTA-Zielen Lernen, Reflexivität und Antizipation orientieren. Auf der anderen Seite gäbe es Auseinandersetzungen und Kämpfe zwischen unterschiedlichen Akteuren. Wenn es gelingen könnte, die Interdependenzen zwischen den Akteuren in diesem Spannungsfeld konstruktiv zu bearbeiten, dann könnte sich eine Art Ko-Produktion von zukünftigen Technologien entwickeln. Das Ziel war dabei klar benannt: bessere Technologien in einer besseren Gesellschaft zu erreichen („to achieve better technology in a better society“) (Schot&Rip 1997, S. 266).
Auf der Mikroebene und auf der Diskursebene lassen sich eine Vielzahl von Konzepten feststellen, die diesen Anspruch in den letzten Jahren konkretisiert und operationalisiert haben, insbesondere im Kontext von Responsible Research and Innovation (RRI).
Auf der Ebene der Forschungs-, Technologie- und Innovationspolitik wurde dieses Spannungsverhältnis mit dem Konzept einer missionsorientierten Innovationspolitik adressiert, das darauf ausgerichtet ist, Akteure darin zu unterstützen, in ausgewählten gesellschaftlich relevanten Feldern ihre Forschungs- und Innovationsaktivitäten auszuweiten (vgl.Mazzucato 2016; Mazzucato 2018). Missionsorientierung kann somit als eine Fortführung von CTA-Ansätzen auf der Makroebene betrachtet werden: Die CTA-Gestaltungsorientierung hat traditionelle TA ergänzt (die Technologien als gegeben auffasst und die potentiellen Folgen analysiert) indem die Frage nach den gewünschten Wirkungen von technologischen Innovationen der Ausgangspunkt wurde, von dem aus mögliche Governance-Mechanismen für die Entwicklung von Zukunftstechnologien antizipiert wurden.
Doch kaum ist die Missions-Orientierung im politischen Raum angekommen, stellt sich die Frage (der in diesem Beitrag nachgegangen wird), ob sie in der (europäischen) Forschungspolitik nicht bereits wieder durch politische Praxen des Technology Push und der unbedingten Wachstumsorientierung überlagert wird, bevor sie noch als relativierendes Instrument – im ambitionierten Sinne von „better technology in a better society“ – wirksam werden konnte.