Trans-Disziplinierung? Kritische Anmerkungen zu Transdisziplinarität am Beispiel von Nanotechnologie und Neuroforschung (Buchbeitrag 9/2010)

Petra Schaper-Rinkel: Trans-Disziplinierung?, Kritische Anmerkungen zu Transdisziplinarität am Beispiel von Nanotechnologie und Neuroforschung, in: Jutta Weber (Hg.), Interdisziplinierung? Zum Wissenstransfer zwischen den Geistes-, Sozial- und Technowissenschaften, transcript, 2010, ISBN 978-3-8376-1566-1, S. 27-56

Einleitung
Transdisziplinarität gilt als ein Forschungs- und Wissenschaftsprinzip, das dort formierend wirkt, wo eine disziplinäre, interdisziplinäre oder fachliche Definition von Problemen und Problemlösungen nicht ausreicht (Mittelstraß 2005). Interdisziplinarität und Transdisziplinarität sind im Kontext gesellschaftskritischer Forschung, in der Nachhaltigkeitsforschung und den Gender Studies positiv konnotiert und werden als Prinzipien verstanden, disziplinäre Grenzen zu überschreiten und zu durchqueren (Hark 2002; Weber 2003; Zierhofer/Burger 2007). Theorien, Erklärungsansätze und Disziplinen werden reflektiert, bzw. sollen reflektiert werden, um methodologische und vermeintlich feststehende gegenständliche Grenzziehungen in Frage zu stellen und verschiedene Wissensformen zu verknüpfen, die es ermöglichen, gesellschaftliche Probleme disziplinüberschreitend zu bearbeiten. Transdisziplinarität bedeutet eine Einbindung von Wissens- und Praxisformen unterschiedlicher Akteure aus wissenschaftlichen Disziplinen, Wirtschaft, Politik, Medien und Zivilgesellschaft, um gesellschaftliche Probleme zu bearbeiten. Mit dem Begriff der Transdisziplinarität wird zum einen eine Tendenz einer solchen grenzüberschreitenden Wissensproduktion bezeichnet, als auch die Programmatik, die auf eine Stärkung eben dieser Tendenz gerichtet ist. Epistemologische beziehungsweise methodologische Fragen sind dabei in der primär normativ geführten Diskussion über Transdisziplinarität stark unterrepräsentiert (Zierhofer/Burger 2007: 29). Transdisziplinarität erscheint vielfach als eine Wunscherfüllungsmaschine: Wenn sie gut und richtig arbeitet, produziert sie Ergebnisse ohne Verlierer und Verliererinnen. Effizienz und Partizipation, Profit und Umweltfreundlichkeit, vieles, was gegensätzlich erscheint, könnte vielleicht durch eine integrative Forschung, die wissenschaftliches Wissen und praktisches Wissen verbindet, verbunden werden.

Im Folgenden soll ein kritischer Blick auf Transdisziplinarität geworfen werden, wobei sich die kritischen Anmerkungen auf mehrere Dimensionen beziehen, die dazu gedacht sind, den Fallstricken eines zu allgemein positiven Begriffs von Transdisziplinarität zu begegnen.

  • Transdisziplinäre Forschung gilt als problemorientierte Forschung, womit die Frage verbunden ist, wie Problemstellungen spezifiziert werden, die transdisziplinär bearbeitet werden sollen und welche Bedeutung die Problemdefinition hat.
  • Transdisziplinäre Forschung hat den Anspruch, Transformationswissen zur Erreichung spezifischer Ziele zu erbringen, was die Frage danach aufwirft, wie die Zieldefinition die transdisziplinäre Zusammenarbeit beeinflusst und welcher Rationalität die Definition von Zielen folgt.
  • Die dritte kritische Dimension bezieht sich auf die Auswahl der Akteure und Disziplinen und damit zusammenhängend auf die Frage, welche Auswirkungen die Auswahl von Akteuren haben kann.
  • Eine weitere kritische Dimension ist die Zeitdimension und damit die Frage, ob es entscheidend ist, wann welche Akteure eingebunden werden.
  • Und schließlich wird der konzeptionelle Transfer von Begriffen dahingehend befragt, ob damit Forschungsfragen erweitert werden oder aber welche anderen Funktionen die Integration von Begriffen in einen spezifischen transdisziplinären Kontext haben kann.