Gibt es zukünftig eine andere Innovationskultur? Gastkommentar für die APA zur Innovationskultur der Zukunft

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Wien – Gastkommentar für das APA Dossier von Petra Schaper Rinkel – Von der Widersprüchlichkeit der offenen Innovation

Wir leben in einer innovationshungrigen Welt, in der Jede und Jeder zu jeder Zeit an Innovationen beteiligt sein soll. Ändert das die Forschung und die Innovationskultur? Vieles sieht danach aus: 3D-Druck-Enthusiasten und Do-it-yourself-Bastler mit Lasercuttern tüfteln lokal in Fab Labs und teilen ihr Wissen in global vernetzter Form. Basteln mit High-Tech ist die eine Seite, High-Tech lokal anpassen und vereinfachen die andere Seite: Aus Indien kommt das Konzept der Frugalen Innovation, dessen Kern darin besteht, Technologien zu entwickeln, die an Ressourcen vor Ort anknüpfen, wenig kosten und nicht auf einen hohen, kontinuierlichen Energiebedarf angewiesen sind.

Lokal angepasste Frugale Innovationen werden in anderen Weltgegenden aufgegriffen, weiterentwickelt und stehen im Sinne der Open-Source Software allen zur Verfügung. So scheinen sich die Innovationsaktivitäten insgesamt zu demokratisieren, werden an konkretem Nutzen gemessen und beruhen auf „glokal“ geteiltem Wissen. Nicht ganz in dieses Bild der nutzenorientierten Innovationsgemeinschaften passt allerdings, dass sich die Do-it-yourself-(Maker)-Bewegung neuerdings darüber streitet, ob die Bewegung durch Maker-Startups kommerzialisiert werden soll. Ins harmonische Bild passt auch nicht ganz, dass High-Tech Konzerne der reichen Länder die Märkte für Frugale Innovationen von den lokalen Innovatoren zurückerobern.

Die Spannungen zwischen Kooperation und Konkurrenz, Nutzen- und Marktorientierung, zwischen geteiltem und kommerzialisiertem Wissen sowie zwischen Bottom-Up-Initiativen und Top-Down-Vereinnahmung finden sich nicht nur in den neuen Innovationskulturen. Sie sind auch in der Wissenschaft selbst zu finden. So ist zwar unbestritten, dass Interdisziplinarität und transdisziplinäre Kooperation für weitreichende Innovationen zentral sind. Trotzdem erweist sich die Rede von der Förderung der übergreifenden Zusammenarbeit in vielerlei Hinsicht als hübsches Werbeversprechen, denn die Konkurrenz zwischen den Disziplinen und den Forschenden nimmt bei zunehmender Ressourcenknappheit rapide zu. Ähnlich verhält es sich mit der Grundlagenforschung: Die offene Forschung ins Blaue (Blue Sky Research), die erst langfristig wirksam werden kann, steht hoch im diskursiven Kurs, doch die Fördermittel im dreistelligen Millionenbereich gehen stark in vordefinierte Großprojekte wie in FET Flagships Human Brain und Graphene, die umfangreiche technowissenschaftliche Durchbrüche in recht kurzer Zeit versprechen.

In diesen widersprüchlichen Forschungs- und Innovationsverhältnissen werden heute die Pfade für die Innovationskultur von Morgen angelegt. Dabei ist Innovationskultur von Gesellschaftspolitik nicht zu trennen, da das stets unterminierte Ideal der Demokratie an sozio-technische Innovationen gekoppelt ist und da die autonomen, vernünftigen und handlungsfähigen Subjekte der Demokratie technologisch formiert sind. Wie sich die Handelnden der Zukunft artikulieren können, ist daran geknüpft, ob sie die technischen und sozialen Innovationen tatsächlich interaktiv handelnd selber ‚machen‘ oder in vorgefundenen technologischen Welten ‚gemacht werden‘. In der Vergangenheit war der Glaube an die Zukunft der Glaube daran, dass das politische Handeln die Verhältnisse verändern kann. Heute hat der Glaube an Innovation diesen Platz übernommen, doch die Möglichkeit, individuell innovativ handlungsmächtig zu werden, wird durch Politik bestimmt. Allerdings ist Politik im Bereich von Forschung, Technologie und Innovation für die Mehrheit der Nutzer und Nutzerinnen unsichtbar in Anreizsystemen und technischen Infrastrukturen implementiert. Diese Unsichtbarkeit aufzuheben macht so unterschiedliche Bewegungen wie Fab Labs, Freie Software, Do-it-yourself und Citizen Science aus. Es geht darum, in Zukunft nicht durch restriktive Eigentumsrechte oder eingeschränkte Nutzungs- und Zugangsrechten in Innovationsaktivitäten eingeschränkt zu sein, sondern gestaltend und verändernd auf den Erkenntnissen anderer Menschen und den Ergebnissen bisheriger Forschung und Technologieentwicklung aufbauen zu können.

Der Philosoph Günther Anders stellte im Jahr 1956 zur Geschwindigkeit und Fremdheit der Neuerungen fest, „dass wir nun als Nachzügler dessen, was wir selbst projektiert und produziert hatten, mit dem schlechten Gewissen der Antiquiertheit unseren Weg langsam fortsetzen oder gar wie verstörte Saurier zwischen unseren Geräten einfach herumlungern.“ Das einzige Gegenmittel gegen das Herumlungern, gegen das ‚gemacht werden‘ ist wohl das Tätig-Sein: Gestalten und Partizipieren auf der Grundlage offener Innovation mit dem Ziel, kollektiv Lösungen für die gesellschaftlichen Herausforderungen der Zukunft zu finden. Dafür braucht es eine Innovationspolitik, die diese Freiheit gewährleistet.

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