22.-23. April 2005 Tagung
Umwelt- und Technikkonflikte
Veranstalter: Gemeinsame Tagung der Arbeitskreise „Umweltpolitik/Global Change“ und „Politik und Technik“ der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft (DVPW) an der Universität Hamburg
Programm
Vortrag: „Die Antizipation potentieller Umwelt- und Technikkonflikte in der Herausbildung von
Governance-Strukturen in der Nanotechnologiepolitik“
Abstract des Vortrages von Petra Schaper-Rinkel: Die Antizipation potentieller Umwelt- und Technikkonflikte in der Herausbildung von Governance-Strukturen in der Nanotechnologiepolitik
Die Technikkonflikte der letzten Jahrzehnte (Atom- und Gentechnik) führen bei der Konstituierung von Governance-Strukturen Nanotechnologiepolitik dazu, dass potentielle Konflikte frühzeitig thematisiert werden. In dem Beitrag soll gezeigt werden, wie die aktuellen Ansätze zur Konfliktbearbeitung auf dem Feld der Nanotechnologie vorhergehende Konflikte in anderen Technologiefeldern (insbesondere im Bereich Biotechnologien) aufnehmen und sich auf diese (explizit und implizit) beziehen.
Auf dem Technologiefeld der Nanotechnologie sind Konflikte bisher auf Fach-Communities beschränkt. Kontroversen sind bezüglich der zukünftig erwarteten Technik- und Umweltfolgen zu verzeichnen. Ein öffentlicher Konflikt ist bisher noch nicht manifest, wird jedoch von unterschiedlichen Seiten prognostiziert. Bei dem sehr breiten und heterogenen Feld Nanotechnologie werden verschiedenen Analogien gebildet. Die kanadische NGO ECT-Group, die eine globale Resonanz in Fachkreisen findet, stellt die Nanotechnologien in eine Traditionslinie mit Gen- und Atomtechnik und verweist damit auf die Tradition vergangener Technik- und Umweltkonflikte. Die Verfechter der Nanotechnologie verweisen dagegen auf die Möglichkeit einer giftfreien Chemie durch die Kontrolle auf molekularer Ebene.
Die Nanotechnologie wird zudem in einer Konstellation entwickelt, in der sich – bedingt auch durch die Technik- und Umweltkonflikte der letzten Jahrzehnte – plurare Experten-Communities herausgebildet haben. Dies beinhaltet kontroverse Risikoeinschätzungen, die sich aktuell in Bezug auf die unterschiedliche Einschätzung der Gefahren durch künstliche Nanopartikel zeigen. Auch die Thematisierung von Risiken wird von unterschiedlichen Akteuren kontrovers beurteilt. Während die offene Thematisierung von Risiken in der Politik der Bundesrepublik vielfach als Gefahr für die eine schnelle und umfassende Technologieentwicklung und –diffusion aufgefasst wird, gilt sie in sozialwissenschaftlichen Analysen als Bestandteil einer vorausschauenden Technologiepolitik.
Entsprechend unterscheiden sich die Darstellungen der Nutzen, Kosten und Risiken der Nanotechnologie. Die öffentliche Wahrnehmung der Nanotechnologie ist noch uneindeutig, ist in Deutschland noch nicht negativ, sei ist aber auch nicht umfassend positiv. Die Uneindeutigkeit – die auf ein hohes Konfliktpotential verweist – wird von den unterschiedlichen Akteuren nun genutzt, um die eigene Position zu stärken. Bedrohungsszenarien werden aus verschiedenen Positionen entwickelt: Während Kritiker der Nanotechnologie ein hohes Umweltzerstörungspotential ins Zentrum stellen, sind die Bedrohungsszenarien aus der Perspektive der Standortdebatte darauf ausgerichtet, die Risiko des Zurückbleibens – des Rückfalls im internationalen Wettbewerb – im Diskurs stark zu machen.
Während sich in dem Diskurs der Bedrohungsszenarien Konflikte hinsichtlich des prioritären Zielhorizonts zeigen, sind innerhalb der stärker fachlichen Diskussionen Kontroversen hinsichtlich der Ausgestaltung von Leitvorstellungen festzustellen: So erscheint die ‚Nachhaltige Nanotechnologie’ auf den ersten Blick als ein konsensualer Zielhorizont, doch ist die Ausgestaltung des Leitbildes hochgradig umkämpft. Von besonderer Bedeutung ist die globale Dimension des potentiellen Konflikts: Aufgrund der internationalen Kommunikation und Information kann ein lokaler Konflikt – z.B. der Aufbau lokaler Produktionskapazitäten von Nanopartikeln – schnell eine globale Debatte entfachen. Die Konfliktbearbeitung in einzelnen Nationalstaaten kann daher im internationalen Maßstab kritische Debatten auslösen. (Zusammenspiel der lokalen und globalen Ebene durch Vernetzung der Teilöffentlichkeiten). Die potentielle Skandalisierung und die Gefahr fehlender öffentlicher Akzeptanz ist somit zugleich eine Verhandlungsressource für NGOs in der Auseinandersetzung um Regulierungsansätze und in der Auseinandersetzung um die Ausgestaltung technologiepolitischer Netzwerke. Auf die Notwendigkeit der Konfliktprävention wird in der Politik der Nanotechnologie mit verschiedenen Konzepten reagiert: Hauptsächlich wird auf eine optimierte Öffentlichkeitsarbeit gesetzt. Es gibt jedoch auch erste (programmatische) Ansätze einer vorsorgeorientierte Politik. Auch die Integration von Umweltakteuren und NGOs in die technologiepolitischen Netzwerke gehört zu den Ansätzen der Konfliktprävention. Die Integration kann sowohl der Akzeptanzbeschaffung dienen, als auch Einflussmöglichkeiten für NGOs bieten.
In dem Betrag wird analysiert, wie der Bezug auf vergangene Technik- und Umweltkonflikte die Politik auf einem neuen Feld bestimmt und wie Herausbildung von Governance-Strukturen auf einem neuen Feld von vergangenen Konflikten und den ‚Lehren’ aus diesen beeinflusst werden.
Beitrag erscheint in:
Petra Schaper-Rinkel (2010): Nanotechnologiepolitik: Die Antizipation potentieller Umwelt- und Technikkonflikte in der Governance der Nanotechnologie. In: Peter H. Feindt, Thomas Saretzki (Hrsg.) Umwelt- und Technikkonflikte. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.