Modus der Zukünftigkeit. Aus den Utopien der Vergangenheit für die digitalisierte und automatisierte Arbeitswelt der Zukunft lernen? Vortrag auf der ITA Konferenz 17

Petra Schaper Rinkel: Modus der Zukünftigkeit: Aus dem utopischen Denken der Vergangenheit für die digitalisierte und automatisierte Arbeitswelt der Zukunft lernen?, Internationale Konferenz TA17,– ‚Neue Arbeitswelt und Digitalisierung – Welche Folgen haben neue Organisationsformen und Technologien?, ÖAW, Wien, 19. Juni 2017

 

 

"Der Sinn von Politik ist Freiheit." Was hat diese starke Aussage von Hannah Arendt mit dem Thema der Digitalisierung von Arbeit zu tun?
„Der Sinn von Politik ist Freiheit.“ Was hat diese starke Aussage von Hannah Arendt mit dem Thema der Digitalisierung von Arbeit zu tun?

Mit der heute diskutierten Digitalisierung und Automatisierung der künftigen Arbeitswelt wird eine andere gesellschaftliche Zukunft antizipiert, als sie in Utopien und disruptiven futuristische Szenarien der Vergangenheit entworfen wurde. Utopien der Vergangenheit haben technologische Innovationen vielfach mit einer ‚besseren Zukunft‘ assoziiert und neue Technologien als Motor für Verteilungsgerechtigkeit von Konsum und Arbeit entworfen. Digitalisierung, Automatisierung und die Möglichkeiten des datengetriebenen zukünftigen Internet der Dinge erscheinen technisch phantastischer als alle vergangenen Antizipationsversuche. Dagegen scheint die soziale und politische Phantasie zur Entwicklung und Nutzung technischer Innovationen verkümmert. Heute wird die Digitalisierung der zukünftigen Arbeitswelt von ihren Verfechtern weniger als provokative, umstürzende gesellschaftliche Neuerung denn als optimierte Fortführung der Gegenwart imaginiert: Mehr Effizienz, mehr Wettbewerb, Privatisierung, Individualisierung und Ökonomisierung statt einer provozierenden gesellschaftlichen Zukünftigkeit auf der denkexperimentellen Höhe der technischen Neuerungen.
Können Foresight und TA durch einen Blick auf die Utopien der Vergangenheit den methodischen und inhaltlichen Horizont für die Innovationspfade der Zukunft erweitern? Dieser Frage geht der Beitrag nach. Wäre z.B. mit den digitalen Plattformen, wie sie im heutigen Crowdworking eingesetzt werden, technisch möglich, was in vielen Utopien eine Leerstelle blieb: die Verteilung sowie die Abstimmung von Nachfrage und Bedarf schnell, kooperativ und effizient zu organisieren?
Dabei sind es unterschiedliche Dimensionen der Utopien, die heute in neuer Form wieder auf der Agenda stehen. In der Frühen Neuzeit setzt Thomas Morus der brutalen Ausbeutung und Ausgrenzung eine Verteilungsgerechtigkeit in Arbeit und Konsum entgegen, die auf materielle Beschränkung orientiert ist. In Tomaso Campanellas Sonnenstaat wird die Landarbeit rationalisiert und gemeinschaftlich organisiert, damit sich alle der Wissenschaft und Kunst widmen können und Francis Bacon entwirft die Idee einer wissenschaftsbasierten Produktion. Die Französische Revolution von 1789 und ihr Scheitern zeigen sowohl die Möglichkeit fundamentaler Veränderung als auch deren Grenzen. Die Utopien dieser Zeit sind Phänomene des Übergangs zur Industrialisierung und zur Verwissenschaftlichung der Zukunft: In Henri Saint-Simons wirtschaftsliberaler Utopie ist der Staat dafür zuständig, Rahmenbedingungen für die Produktion zu gewährleisten, damit die Marktakteure effizient produzieren. Bei Charles Fourier ist die Rationalisierung nur die materielle Voraussetzung für neue Formen des Zusammenlebens. Der britische Fabrikant Robert Owen baute vorbildliche Fabriken und stand für die Verwissenschaftlichung des utopischen Ideals: Sein Ziel waren dezentralisierte Produktivgenossenschaften, die ein Maximum an Reichtum mit einem Minimum an unbefriedigender Arbeit bei geringstmöglichen Ressourcen produzieren sollten. Staat und die Politik verschwanden dabei in der wirtschaftlichen Organisation der Zukunft.
Diese Utopien bilden mit ihren unterschiedlichen Konzepten des kontinuierlichen Fortschritts den theoretischen Gegenpol zu den Unwägbarkeiten der Politik, die von Revolutionen und jeweiliger Restauration gekennzeichnet sind. Dass die abstrakte Idee des Fortschritts in Kombination mit Rationalisierung und technischen Innovationen zu einer globalen Verteilungsgerechtigkeit führen werden, in der alles Menschen das gleiche Jahreseinkommen haben und damit ganz unterschiedliche Lebensentwürfe realisieren, ist die Idee von Edward Bellamy aus dem Jahre 1887. Er gilt zugleich als theoretischer Erfinder der Kreditkarte und vieles von dem, was bei ihm technisch unkonkret bleibt, ist heute mit der Digitalisierung und globalen Vernetzung technisch vorhanden.
Diese Beispiele vergangener Zukünfte bis zum Ende des 19. Jahrhunderts repräsentieren Entwürfe zur Transformation der jeweils zeitgenössischen sozialen und politischen Rationalitäten. Sie könnten Ausgangspunkte für Denkexperimente zur Entwicklung der digitalen Ökonomie der Zukunft bieten.

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